socialnet Rezensionen: Brain Bugs. Die Denkfehler unseres Gehirns (2024)

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Rezensiert von Dr. Barbara Mahmoud, 30.07.2013

Dean Buonomano: Brain Bugs. Die Denkfehler unseres Gehirns.Verlag Hans Huber(Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2012. 317Seiten.ISBN978-3-456-85151-8. 24,95 EUR.CH:35,50 sFr.

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Thema

In diesem Buch behandelt DeanBuonomano die Funktionsweise des menschlichen Gehirns,wobeier den Begriff „Bugs“ für die Vielfalt der Fehler, Schwächen,Voreingenommenheiten und der daraus resultierenden Beschränkungendes Gehirns verwendet.

Autor

Der Autor ist Professor fürNeurobiologie und Psychologie am Brain Research Institute derUniversity of California, Los Angeles.

Aufbau und Inhalt

  • Einleitung
  • Bugs und Methode
  • Die Evolution ist ein Pfuscher
  • Kapitel 1: DasGedächtnis-Netzwerk. Das semantische Gedächtnis – AssoziativeArchitektur – Verknüpfungen herstellen – Priming: Wie wir inStimmung kommen – Erinnerungsfehler – Implizite Assoziationen -Verhaltenspriming
  • Kapitel 2: Gedächtnis-Upgradeerforderlich. Fehlerhafte Erinnerungen – Schreiben und neu schreiben- Erinnerungen: Bildung und Einbildung – Wo ist der Löschbefehl? -Speicherplatz – Gedächtniskünstler – Selektive Erinnerungen
  • Kapitel 3: Wenn das Gehirnabstürzt. Die Körperillusion – Neuronen verabscheuen das Schweigen- Die fantastisch plastische Hirnrinde – Eleganter Abbau undkatastrophaler Zusammenbruch
  • Kapitel 4: Zeitliche Verzerrungen.Verzögerungsblindheit – Abzinsung der Zeit – SubjektivesZeitempfinden – Zeitliche Illusionen – Woher kennt das Gehirn dieZeit
  • Kapitel 5: Der Angstfaktor. Festverdrahtete und erlernte Angst – Die neuronalen Grundlagen der Angst- Auf Angst vorbereitet – Fremdenfeindlichkeit – Fernangst -Amygdala-Politik
  • Kapitel 6: UnvernünftigeVernunft. Kognitive Verzerrung – Framing-Effekt und Ankerheuristik -Risikoaversion – Wahrscheinlichkeitsblindheit – Neurobiologie derEinseitigkeit
  • Kapitel 7: Der Werbe-Bug. Werbungbei Tieren – Künstliche Assoziationen – Assoziationen sind keineEinbahnstraße – Köder
  • Kapitel 8: DieÜbernatürlichkeitsmacke. Die Nebenprodukt-Hypothese – DieHypothese der Gruppenselektion – „Die Weisheit, den Unterschied zuerkennen“ – Götter im Gehirn
  • Kapitel 9: Fehlerbeseitigung.Übereinstimmung von Macken des Gehirns – Zwei Ursachen -Fehlerbeseitigung
  • Danksagungen
  • Anmerkungen
  • Literatur

In den ersten drei Kapiteln diesesBuches stellt der Autor zwei Erkenntnisse über das Gehirn vor, diedie Voraussetzungen dafür bieten, dass „Bugs“ des Gehirnsüberhaupt entstehen können:

  • Die Speicherung von Kenntnissenüber Tatsachen und über Bedeutungen erfolgt in der Form vonGedankenverbindungen. Dies führt dazu, dass zusammenhängendeBegriffe miteinander verknüpft sind.
  • Wird an einen bestimmten Begriffgedacht, so erinnert man sich mit größerer Wahrscheinlichkeit anandere Begriffe, die mit diesem Begriff verwandt und somit verknüpftsind. Dieses Phänomen wird Priming genannt, ist unbewusst underfolgt automatisch.

Buonomano vergleicht dieSpeicherung von Erinnerungen mit dem Aufbau des World Wide Web unddem der Sozialen Netzwerke. Er bezeichnet das Gehirn als neuronalesBetriebssystem und als Neuronennetzwerk.

Durch das Priming kann es zuErinnerungsfehlern kommen. Das bedeutet, dass beispielsweise etwaserinnert wird, das zwar mit dem betreffenden Ereignis im assoziativenNetzwerk verbunden ist, aber in dem konkreten Kontext des erinnertenEreignisses tatsächlich nicht stattgefunden hat. Die Struktur desassoziativen Netzwerkes führt nicht nur dazu, dass Erinnerungsfehlerauftreten. Sie kann auch dazu führen, dass die Meinung einesMenschen und möglicherweise die daraus resultierenden Entscheidungenbeeinflusst werden können, ohne dass er sich dessen bewusst seinmuss.

Auch das Verhalten einer Person kanndurch das Priming beeinflusst werden. Verhaltenspriming bedeutet dieManipulation des Fühlens und Verhaltens durch Wörter. So wurde ineiner Studie festgestellt, dass die Aktivierung neuronalerVerbindungen, die mit Begriffen von Unhöflichkeit oder Höflichkeitassoziiert waren, im Verhalten der Versuchsteilnehmer zuvorhersagbaren Veränderungen führte und zwar in die Richtung eineseher höflichen oder in die Richtung eines eher unhöflichenVerhaltens.

Als weitere Beispiele für „Bugs“nennt der Autor Phantomschmerzen und Tinnitus, wobei er Tinnitus alsPhantomton bezeichnet. Phantomschmerzen und Tinnitus können durchVerletzungen des Gehirns verursacht werden.

Da das Gehirn über eine spezielleStrategie der Zeitmessung verfügt, kommt es auch in diesemZusammenhang zu Denkfehlern. Im vierten Kapitel erläutert Buonomanodie Abzinsung der Zeit (der potentielle Wert einer zu erwartendenBelohnung nimmt mit der Zeit ab) und begründet, warum beim FußballAbseitspositionen in bis zu 25% der Fälle falsch beurteilt werden.

Inwieweit der Angstfaktor bei derEntstehung von Denkfehlern mitwirkt, führt Buonomano imfünften Kapitel aus. So gebe es eine genetisch bedingte Veranlagungzum Erlernen der Angst vor bestimmten Objekten. Diese Veranlagungführe dazu, dass sich beispielsweise Phobien vor Schlangen undSpinnen viel leichter entwickeln können als Phobien vor Schusswaffenoder vor defekten Elektrokabeln, die im evolutionären Verlauf alsnoch junge Gefahren zu sehen sind. Er erwähnt in diesem ZusammenhangAl Gores Begriff der Amygdala-Politik, der damit die Erzeugungvon Angst meinte, um Meinungen und Stimmungen beeinflussen zu können.

Im sechsten Kapitel stellt der Autorden Framing-Effekt vor, eine Art der kognitiven Verzerrung. Er meint,dass die Art und Weise, in der eine Frage gestellt wird – in welchemframe (Rahmen) sie gestellt wird – die Antwort beeinflussen kann.Auch seien mögliche Kunden eher durch eine Preisangabe in der Form„10% weniger“ statt „nur noch 90%“ und bei einerKalorienangabe „50% weniger Kalorien“ statt „jetzt 50% derKalorien“ zu gewinnen.

Eine Methode, die vonSportkommentatoren häufig benutzt wird, um dieSportberichterstattung interessanter zu gestalten, ist laut Buonomanodie Wahrscheinlichkeitsblindheit. Konkret sieht dies so aus, dass zueiner Aussage weitere Bedingungen hinzugefügt werden und somit mehrVerbindungen hergestellt werden können. Die genannte Kombination vonEreignissen wird dadurch immer unwahrscheinlicher. Ein Beispiel ausder Fußballkommentation verdeutlicht dies: „Er ist der ersteSpieler unter 25 in den letzten 33 Jahren, der in einer Saison dreiElfmeter geschossen hat und in drei Spielen je dreimal getroffenhat“.

Im siebten Kapitel untersucht der Autorzwei Merkmale des neuronalen Betriebssystems, die vonMarketingexperten für die Vermarktung von Produkten genutzt werden:

  • Das Lernen durch Beobachtung undNachahmung, das sich in der Form des Sozialen Lernens und derkulturellen Überlieferung in einer sozial übertragenenNahrungspräferenz äußern kann.
  • Die Fähigkeit des Gehirns zurAssoziationsbildung. Gedankenverbindungen, die durch Musik oderdurch das Logo, den Namen, die Verpackung und auch durch den Preiseines Produktes aktiviert werden, beeinflussen die Bewertung diesesProduktes.

Die Anfälligkeit für Werbung wirddurch die Neigung des Gehirns erleichtert, durch Imitation zu lernenund Assoziationen zwischen den Objekten und Begriffen aufzubauen, mitdenen es in Berührung kommt.

Im achten Kapitel stellt der AutorHypothesen vor, die die biologische Herkunft von Glauben und Religionannehmen. So geht die Nebenprodukthypothese davon aus, dass Religionein Nebenprodukt des spezifischen Aufbaus des Gehirns ist. Diekognitiven Ressourcen des Gehirns seien durch die Religionvereinnahmt worden. Vereinfacht worden sei dies durch die menschlicheVorliebe für das Geschichtenerzählen, die Vorliebe für dieromantische Liebe, Autoritätsgläubigkeit etc. Die Hypothese derGruppenselektion meint, dass die Selektion im Verlauf der Evolutionreligiöse Überzeugungen begünstigte. Die durch die gemeinsamenreligiösen Überzeugungen erfolgte Einigung der Gruppe führte zuhöherer Kooperationsbereitschaft und dadurch zu Vorteilen imÜberlebenskampf.

Auf die Fehlerbeseitigung geht derAutor im neunten Kapitel ein.

Fazit

Der Autor Dean Buonomano gibt inseinem Buch „Brain Bugs. Die Denkfehler unseres Gehirns“ einenumfassenden Überblick über die Entstehung, die Wirkungsweise unddie Konsequenzen dieser Denkfehler, wie beispielsweise dieBeeinflussbarkeit durch Werbung oder durch politische Propaganda. Mit„Bugs“ bezeichnet er die besonderen Schwächen undVoreingenommenheiten sowie die sich daraus ergebenen Beschränkungendes Gehirns. Durch die informativen Anmerkungen und Quellenangaben,die Beschreibung wissenschaftlicher Untersuchungen und einer Vielzahlvon Beispielen gestaltet er sein Buch gut lesbar und verständlich.Viele der beschriebenen Phänomene geben dem Leser die Möglichkeit,diese im Alltagsleben wieder zu erkennen und zu bestätigen.

Rezension von
Dr. Barbara Mahmoud
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Zitiervorschlag
Barbara Mahmoud. Rezension vom 30.07.2013 zu:Dean Buonomano: Brain Bugs. Die Denkfehler unseres Gehirns. Verlag Hans Huber(Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2012. ISBN978-3-456-85151-8.In: socialnet Rezensionen, ISSN2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/14643.php, Datum des Zugriffs 18.04.2024.

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